Hoher und unerwarteter Besuch

oder

Bienvenue, Monseigneur!

Stellt es euch so vor: Samstagmorgen in der fünften Klasse. Das Prüfungsdiktat im Deutschen haben wir mühevoll hinter uns gebracht.

Dann Französisch: Irgendetwas mit Fischen, die sich über uns Menschen ärgern, weil wir ihre Gewässer verschmutzen. Einige der Kinder erinnern auch an Fische, Laurence reißt den Mund genauso weit auf ... zum Gähnen.

"Prenez votre livre de français! Regardez à la page ..." Das Telefon klingelt: "Driiinnng! Driiinnng! Driiinnng!" Der Bop hebt ab.

"Hei as Tremuth. ... Ah, gudde Moien, Här Majerus! Wéi geet et Iech? An Dir musst Samschdes um Ministère och schaffen?"

Seine Stimme ist ganz entspannt. Er freut sich.

"... Wéi? ... Aha. ... Ou ... Wisou?"

Jetzt ist seine Stimme viel gespannter. Sie zittert leise. Da ist was Unerwartetes, vielleicht etwas Unangenehmes ...

"Weess de Buergermeeschter da scho Bescheed? ... Do as haut awer keen do. ... Asou. ... Iwwert de Bësch! ... Aah! ... Wéini? ... Olala! ... Jo, wann déi Herrschaften dat esou wëllen. ... Wann een dat éischter gewosst hätt ... A wat kënne mer do maachen? ... Ah. ... Ech weess nët op se däer hei op der Gemeng hunn. ... Awer mir kënnten der och huerteg bastelen, dat misst scho goen. ... Joo, dat geet an d'Rei. ... Also um halwer 11? ... Da si mir fënnef Minutte virdrun do ënnen op der Trap, do waarde mir dann. ... Jo, an der Rei. Bis dernot dann! Äddi, Här Majerus!"

Er legt den Hörer auf. Er atmet tief durch. Die Kinder schauen ihn fragend an. Er denkt nach.

"Eeh, das war der Herr Majerus vom Ministerium, der mit dem Großherzog am Tag des Baumes hier in Weiswampach war. Der Großherzog hatte uns ja versprochen, er käme mal zu uns um mit uns über den Wald zu sprechen ..."

"An dee kënnt elo?", fragen mehrere Schüler gespannt. Einige Augen fangen an zu leuchten ...

"Ja, heute Morgen ..."

"Juppiiiiii!!!"

"Seid jetzt mal still! Hört zu! Überlegen wir mal, was wir tun können."

Durcheinander in der Klasse. Jeder hat was zu bemerken, vorzuschlagen, zu fragen. Immer lauter, jeder will ja als erster sprechen, gehört werden.

 

Herr Majerus hatte vorgeschlagen, dass wir kleine Fähnchen basteln sollten, um den Großherzog zu begrüßen. Wie machen wir das jetzt? Wir haben ja keine Bengel, an denen wir die Fähnchen befestigen könnten. Könnten wir doch auch basteln. Oder die Fähnchen als Kette an die Decke hängen? Jaaa!

"Fangen wir doch gleich mit dem Fähnchenmalen an!"

Weiße Blätter werden ausgeteilt.

"Wie sieht die Luxemburger Fahne schon wieder aus?"

"Ich weiß: rot, weiß und blau, ... oder blau, weiß und rot?"

"Und so gedreht." Linda zeigt mit beiden Händen, wie die Streifen jetzt gedreht sein sollen.

"Carine, mal du die Fahne mal an die Tafel!"

"Ja, wir könnten auch was an die Tafel malen! Ein Bild! Oder schreiben: Willkommen ... oder so was. Und Monseigneur! Wie heißt Willkommen auf Französisch? ..."

Jetzt werden Fähnchen gemalt. Ob das wohl gut so ist? Darf ich so malen? Müssen wir mit Filzstiften malen? Schau, gefällt dir das? Mmh? ist das schön? Muss das dunkelblau oder hellblau sein? Ist die Farbe gut?

So konzentriert haben die Kinder schon lange nicht mehr gearbeitet. Die ersten sind bald fertig. Sie helfen, die "Fahnenstangen" zu basteln. Bop klebt die Stangen an den Fähnchen fest.

Oliver wischt schon die Tafel ganz, ganz sauber. Ach ja, und unser Gestell hinten in der Schule müssen wir noch räumen. Wie das wieder aussieht! Das darf der Monseigneur doch nicht sehen.

Ein paar Mädchen schreiben schon auf einen Zettel den Text, den sie dann an die Tafel malen wollen. Damit keine Fehler an der Tafel stehen! Wie sähe das denn aus!

Johanna muss her, sie kann so schöne Buchstaben schreiben, sie soll den Text an der Tafel schreiben. Andere Mädchen helfen.

Ob wir auch Luftballons hinmalen sollen? Ja sicher! Eine Arbeit für die Jungen.

Noch ein Vorschlag: "Wir müssten doch auch die Nationalhymne singen!" - "Ja!", ruft Oliver und fängt an die Melodie zu summen. Aber vom Text hat niemand eine Ahnung.

"Und wenn wir zum Abschluss unsere Tänze von Notre-Dame de Paris aufführen würden?", schlägt Bop vor.

"Jaaaaa! Aber welchen?"

"Malt jetzt zuerst das Tafelbild fertig, dann singen wir die Nationalhymne und danach über wir noch mal die Tänze! Nehmt schon mal eure Gesangbücher! Marco, auf welcher Seite steht das Lied? Wo können wir das finden? Es fängt an mit Wou d'Uelzecht ..."

Und jetzt wir geübt. Der Text wird durchgenommen. Uelzecht - Alzette, Sauer, naja, kennen wir! Aber die Rief laanscht d'Musel? Ja, wir haben letzte Woche doch von den Weinbergen an der Mosel gesprochen! Ach so!

Alle singen mit, ganz leise am Anfang. Protestiert wird, als der Bop behauptet, er würde beim Großherzog nicht mitsingen. Noch mal geübt. Vier-, fünfmal.

Und jetzt wollen wir die Tänze üben. Alle gehen hinüber in den Nachbarsaal, da stehen keine Bänke, da ist Platz genug.

CD eingelegt.

"Und welchen Tanz nehmen wir? Ich möchte lieber die Sans papiers die kann ich besser!", schlägt Oliver vor. Gestern noch hatte er sich heftig gesträubt, überhaupt mitzutanzen.

"Probieren wir mal aus!"

Musik läuft. Action!

Und "Action" gibt es wirklich. Ganz andächtig tanzen alle (sogar Ruben mit seinen Schmerzen im Bein) das Lied Le temps des cathédrales. Danach die Sans papiers.

Bop staunt: Wie engagiert, begeistert, frei sind doch die Jungen heute. Gestern mussten wir längere Zeit diskutieren und die Jungen lange überreden, bis sie sich bereit erklärten, das Tanzen mal zu probieren. Heute haben sie keine Angst, dass die Mädchen über sie lachen, dass sie nicht wissen, wie sie überhaupt tanzen sollen. Bop ist sprachlos. Und sehr froh darüber. Er staunt, wie seine Kinder sich jetzt zusammennehmen, wie wirklich schön, harmonisch, rhythmisch sie tanzen können. Einfach super!

"Das war super, wir wollen beide Tänze vorführen!"

"Juppiiiii!"

Etwas mulmig wird dem Bop jetzt doch. Diese Begeisterung ... Die bringen dich um, wenn du denen sagst, dass ... Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr. Abwarten ... und hoffen.

"Seht mal auf die Uhr! Noch zehn Minuten!"

Wir gehen noch mal in unsern Klassensaal.

Neuer Vorschlag: "Und wenn wir den Großherzog in den April schicken würden?" Dem Bop bleibt fast das Herz stehen. Jetzt ist aus!

Nein, doch nicht! Denn ...

"Oh ja! Wir rufen ihn ans Telefon, dann ist niemand da. ... Wir verstecken uns, dann findet er uns nicht ... Jemand ruft aus dem Nebenzimmer an. Ob das funktioniert? Probieren wir es aus!" Ruben geht nach nebenan. "Ja, hörst du mich?" - "Ja!" Es klappt also. "Bill Clinton ruft an ... Und wer spricht dann englisch? Nein! ... Der portugiesische Präsident ruft an! Portugiesisch können wir ja. Ruben muss den Präsidenten machen."

Johanna und Ruben setzen sich in das Nebenzimmer und klügeln den Text aus, den Ruben sprechen soll.

"Oh! Es ist 20 Minuten nach zehn! Wir müssen runter!"

Jeder nimmt seine Fahne und schwenkt sie. Immer mehr Aufregung.

Die Kinder stellen sich unten auf die Treppe neben dem Gemeindehaus, in dem der Schulsaal untergebracht ist. Bop schießt natürlich noch ein paar Fotos.

Er spaziert bis vor das Gemeindehaus, da kann er besser sehen, ob die Luxuslimousinen noch nicht anrollen.

"Probieren wir noch mal die Nationalhymne!"

Und alle singen mit: "Wou d'Uelzecht duerech d'Wisen zéit ..."

Einige Passanten spazieren vorüber und wundern sich sicherlich. Eines der Kinder ruft: "Da kommen sie!"

Bop dreht sich um und schaut hin.

"Abrëllsgeck!", ruft das Kind. "Ich hab dich reingelegt!"

Einen Augenblick schaut Bop ganz verdutzt drein, dann sagt er: "Abrëllsgeck!"

Jetzt schauen die Kinder verdutzt drein. Sie verstehen nicht. "Ihr seid die Abrëllsgecken!", sagt noch mal der Lehrer. "Wie? ... Was? ..." Sie verstehen immer noch nicht. Jetzt muss Bop lachen, aus vollem Halse lachen. Und langsam dämmert es den "Abrëllsgecken", dass wirklich sie die Gelackmeierten sind. Ihre Mienen verdüstern sich.

Jetzt kommt es, denkt Bop, jetzt ist es aus. Das verzeihen die dir nie! Diese Enttäuschung auf den Gesichtern! Etwas weh tut das dem Bop dann doch. War er nicht doch zu arg, dieser Aprilscherz?

Und dann ärgern sie sich, sie ärgern sich, sie ärgern sich. Verständlich.

Irgendwie geschlagen gehen sie wieder hoch in den Klassensaal. Da müssen wir das Ganze diskutieren. Ob man Spaß versteht? Ob das eine Lüge war? Ist ein Aprilscherz eine Lüge? Aber schlussendlich: Spaß hatten wir doch alle dran. Und das Schönste: Die Mathematikstunde war ausgefallen!

Der Bop erzählt, wie er in den letzten Jahren seine Schüler hereingelegt hatte. Wie diese sich "gerächt" hatten. Den Text drucken wir uns aus dem Internet aus.

"Ja, Rache ist süß!", meint Marco. Er wiederholt das mehrmals. Ob er da schon an etwas Bestimmtes denkt?

Aber Strafe muss sein: Über diesen Aprilscherz muss der Bop selbst eine Geschichte schreiben. Was hiermit erledigt ist.

Bop